Interview mit Harald Gay (2003)

Vom 19.01.2003

Harald Gay ist Vize-Präsident von SharkProject e.V.. In seiner Tätigkeit bei SharkProject, ist er zuständig für die internationale Zusammenarbeit und die Online-Redaktion.

Harald ist eigentlich Banker, hat jedoch ein berufsbegleitendes Biologie-Studium an der Universität von Oxford gemacht.

In seinem Interview mit Haiwelt erzählte er etwas über seine Organisation, über die Ängste der Menschen und Fehlverhalten von Tierpflegern.

Harald Gay

Harald Gay über SharkProject

Haiwelt:

Herr Gay, wie sind Sie zu SharkProject gekommen? Wie entstand es und wie wurden Sie dort zum Vize-Präsidenten?

Harald Gay:

Seit vielen Jahren suchte ich eine Organisation in welcher ich mich „zuhause“ fühlte, d. h. eine Organisation, die sich dem Schutz der Haie verschrieben hat und das nicht nur auf dem Papier.

Auf Grund vieler Enttäuschungen keimte recht schnell der Wunsch in mir, etwas eigenes auf den Weg zu bringen, um so mehr war ich der Idee zugetan, welche Dr. Erich Ritter vergangenes Frühjahr an mich heran getragen hatte.

Durch seine guten Kontakte zu Personen aus den verschiedensten Bereichen gelang es uns eine Organisation aus dem Nichts zu erschaffen.

Das Erfolgsprinzip ist einfach – keine rein akademische Führung von „entgeistigten“ Wissenschaftlern, denen jegliche Fähigkeit des wirtschaftlichen Denkens fehlt.

Das Hauptproblem Nr. 1 aller Organisationen ist finanzieller und nicht ideologischer Natur, daher war es für uns ein Kernpunkt die Idee vernünftig „verkaufen“ zu können um Spenden für unsere Projekte sammeln zu können.

Haiwelt:

Wofür setzt sich SharkProject ein? Was ist langfristig gesehen das Ziel der Organisation?

Harald Gay:

SharkProject setzt sich für den grenzüberschreitenden Schutz der Haie ein, damit bestialische Praktiken wie z. B. das Finning bald ein Ende nehmen.

Weiterhin ist die Aufklärung der Bevölkerung ein Hauptanliegen unserer Organisation, denn nur wenn wir in der Lage sind das Bild des Hais in den Köpfen der Menschen nachhaltig zu verändern, werden wir diesen Tieren eine dauerhafte Überlebenschance sichern können.

Weiterhin ist es unser Anliegen Projekte zu unterstützen, welche die zuvor genannten Punkte beinhalten.

Harald Gay über eine Welt ohne Haie und den nötigen Aufklärungsbedarf

Haiwelt:

Können Sie vielleicht ein paar Sätze zur gegenwärtigen Situation der Haie sagen? Und wie sähe eine Welt ohne Haie aus?

Harald Gay:

Fünf vor Zwölf wäre noch untertrieben!

Um genau zu sein findet derzeit eine der größten Umweltkatastrophen statt, welche einem Ökosystem auf diesem Planeten jemals widerfahren ist.

Haie sind die zahlenmäßig häufigsten Raubtiere über 50kg Körpergewicht auf der Welt; ihre Aufgaben in den Nahrungsketten der Meere ist vielschichtig und durch kein anderes Tier zu ersetzen.

Der Raubbau an den Populationen wird sich daher traumatisch auf die Struktur der Nahrungsketten und damit auf das größte zusammenhängende Ökosystem auswirken – im schlimmsten Fall mit dessen totalem Zusammenbruch.

Dies hätte Folgen für die gesamte Menschheit, die jetzt nur schwer auszurechnen sind. Sicher ist nur, daß zu einem massiven Einbruch in der Sauerstoffversorgung der Atmosphäre kommen wird, denn die Ozeane produzieren ca. 2/3 des Weltsauerstoffs und stellen ein gleiches Potential an CO2-Absorption zur Verfügung.

Haiwelt:

In welchem Teilbereich zum großen Thema „Hai“ sehen Sie den größten Wissensdefizit und folglich auch den größten Aufklärungsbedarf?

Harald Gay:

Das wohl größte Problem ist das „Bad-Guy-Image“ – der Hai lächelt nicht wie Flipper und macht keine Kunststückchen wie Free-Willy!

Der Hai ist nicht domestizierbar und damit für uns Menschen nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren – das macht uns Angst.

Diese so schon vorhandenen Ängste werden noch durch reißerische Reportagen und entsprechende Titelbilder unterstützt.

Hier wollen wir ansetzen – wir wollen, daß die Menschen nicht mehr bereitwillig diesen Unsinn lesen und glauben und dann haben wir auch eine Chance, den Hai als schutzwürdiges Wesen zu vermitteln.

Harald Gay über Haie in Aquarien & Negativ-Schlagzeilen

Haiwelt:

„Haie zum Anfassen“, sprich: Haie in Gefangenschaft, in Aquarien. Fluch oder Segen für Mensch und Tier?

Harald Gay:

Eine schwere und zudem hoch-emotionelle Frage!

Ich kann mich hier nicht ganz frei von subjektiven Einstellungen machen.

Generell ist der Hai als Tier für die Gefangenschaft nicht geeignet – das wird noch dadurch verstärkt, daß wir trotz massivem technischen Aufwand nicht in der Lage sind, halbwegs vernünftig deren Lebensraum nachzubilden.

Wenn es aber dennoch Haie sein müssen, welche als Besuchermagneten den finanziell arg gebeutelten Aquarien auf die Beine helfen sollen, dann so professionell wie möglich, unter amtstierärztlicher Betreuung und mit einer begleitenden Aufklärung für alle Besucher.

Tauchen in Aquarien mit Haien lehne ich generell ab, da dies in allen Fällen welchen ich beiwohnen konnte unprofessionell und zum Teil gefährlich für die Besucher verlief!

Tierpfleger sind i.d.R. keine Verhaltensforscher und können oft die Körpersprache der Haie nicht lesen oder interpretieren diese falsch – ein hieraus resultierendes Fehlverhalten könnte verheerende Folgen haben.

Haiwelt:

Mal angenommen Sie hätten unendlich viel Geld: Was würden Sie damit tun um den Haien bestmöglich zu helfen?

Harald Gay

Ich würde die noch vorhandenen küstennahen Mangrovenregionen erwerben um zuerst einmal die Kinderstuben zu sichern!

Danach würde ich finanzielle Alternativen für Fischer und deren Familien schaffen um so das kommerzielle Interesse am Hai auszutrocknen – tja und wenn’s ginge würde ich sogar versuchen den Ozean zu kaufen!

Haiwelt:

Wer kennt nicht die reißerischen Aufmacher einschlägiger Tageszeitungen: Warum verkaufen sich diese aber besser als die Wahrheit?

Harald Gay:

Wir sind Voyeure – wir lieben Schlagzeilen, es macht uns an wenn etwas los ist!

Das ist nun mal das Naturell der großen Mehrheit der Menschen. Deshalb verkauft sich nun mal Bildzeitung so gut – nicht wegen des Inhaltes sondern des Spanner-Effektes!

Außerdem haben wir gerne klar definierte Feindbilder und da paßt der Hai mit seinen Eigenschaften wunderbar hinein (natürlich nur subjektiv betrachtet).

Harald Gay über die Zukunft der Haie

Haiwelt:

Abschließend noch eine Frage: Wie sehen Sie persönlich die Zukunft der Haie?

Harald Gay:

Das ist eine Frage die ich nur zwischen Hoffen und Bangen beantworten kann.

Setzt sich der momentane Trend fort (ca. 100-120 Mio. getötete Haie jährlich), wird es in weniger als 50 Jahren keine oder nur noch sehr wenige Haie in unseren Ozeanen geben!

Nach heutiger Auffassung gilt bereits der Weiße Hai als biologisch ausgestorben, d. h. die noch in den Ozeanen vorhandenen Tiere werden nicht in der Lage sein, ein dauerhaftes Überleben der Art zu sichern.

Doch ich hoffe das die vielen Initiativen Politik und Menschen dazu bewegen werden, den Hai als das zu sehen, was er ist: Ein durch die Evolution perfekt an sein Element angepaßtes Tier, das ein Recht auf Leben und Überleben hat!

Wir sind auf dem besten Wege, denn nicht zuletzt auch durch informative Web-Sites wie die von Dir lassen unsere Gemeinde immer größer werden!

Haiwelt:

Ein solches Kompliment vom Vize-Präsidenten des SharkProjects! Ich fühle mich wahrhaft geehrt und bedanke mich artig für das nette und hoch interessante Interview!