Hai Intelligenz

Hai Intelligenz. Für viele passen diese zwei Worte nicht zusammen. Haie sind für sie dumme, vor allem durch Instinkt gesteuerte Fressmaschinen, die alles angreifen, was sich in ihrer Nähe befindet. Stimmt das?

Hai Intelligenz
Ein Weißer Hai (Carcharodon caracharias): Wie schlau ist er wirklich? © by Klaus Jost/Hai-Stiftung

Nein, das stimmt sicherlich nicht.

Natürlich spielen beim Hai Instinkte eine sehr große Rolle. Nur ist diese Rolle so groß, dass die Haie blindlings alles angreifen? Allein schon aus biologischer Sicht muss man diese Frage wohl verneinen, denn kein Raubtier ist derart unvorsichtig, blindlings alles anzugreifen, was ihm vor die Nase kommt – die Verletzungsgefahr ist viel zu groß!

Hai Intelligenz = Neugier & Vorsicht?

Doch Haie sind neugierige Tiere. Wenn ein Hai einen Menschen bemerkt, dann ist er zunächst etwas völlig Unbekanntes für ihn. Der Hai bleibt also im Hintergrund und versucht zunächst das Unbekannte mit all seinen Sinnen zu erfassen. Erst wenn er den Menschen eine geraume Zeit so mit seinen Sinnen „abgetastet“ hat (und noch nicht das Interesse verloren haben sollte, was recht häufig vorzukommen scheint), kann es zu einer Annäherung und einer potenziell für den Menschen gefährlichen Situation kommen.

Anders als bei einer richtigen Jagd, kann es vorkommen, dass sich der Hai vorsichtig ihm unbekannten Objekten nähert und dabei seine Kreise immer enger zieht. Schließlich kann es zu einem von manchen als „Probebiss“ bezeichneten Phänomen kommen. Der Hai „probiert“, ob dieses unbekannte Objekt fressbar und schmackhaft ist. Dabei wird kein typisches Jagdverhalten gezeigt, sondern es handelt sich eher um eine Art vorsichtigen Biss. Im Maul des Hais sitzen sehr viele Geschmacksknospen, die dem Hai schnell signalisieren, ob das Objekt fressbar ist oder nicht.

Das, was ich hier anhand eines Menschen beschrieben habe, trifft in gleicher oder sehr ähnlicher Weise auch auf alle anderen unbekannten Objekte im Wasser zu. Natürlich müssen von dem Objekt gewisse Reize ausgehen; der Hai wird sich für gewöhnlich weniger für einen Baumstamm oder anderes Treibgut interessieren. Diese Dinge interessieren ihn auch. Aber er verliert recht schnell das Interesse an ihnen.

Der Hai ist also vorsichtig und immer dabei Gefahren abzuschätzen, die von einem unbekannten Objekt ausgehen könnten. Denn nichts ist schlimmer für einen Hai als eine Verletzung, die ihn beim Jagen beeinträchtigen könnte! Viele werten solch eine Vorsicht als Zeichen einer gewissen Intelligenz.

Hai Intelligenz = Flexibilität bei Angriffen?

Zahlreiche Versuche beweisen außerdem, dass das Vorgehen des Hais bei bzw. vor Angriffen sehr flexibel ist. Dies schließt Instinktverhalten im engeren Sinne aus, da dieses immer gleich ablaufen würde. Haie aber verfügen z. B. über unterschiedliche Anschwimm-Muster an unbekannte Objekte (siehe Thema „Lernen“ weiter unten in diesem Text).

Dies konnte bei einer Ausfahrt des SharkProjects (die Wissenschaftler waren unterwegs in Afrika) beobachtet werden: Weiße Haie (Carcharodon carcharias) waren in der Lage ihre Angriffsweisen auf einen ausgelegten Köder zu variieren. Klappte es langsam und vorsichtig nicht den Köder von der Leine zu reißen, so schwammen sie beim nächsten Versuch pfeilschnell von unten an den Köder heran und rissen einmal mit Wucht – was zumeist Erfolg brachte.

Eine solche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an eine Situation ist längst keine Selbstverständlichkeit im Tierreich! Sie zeugt von gewissen Lernfähigkeiten, was allerdings noch nicht zwingend gegen Instinkte und für „wahre“ oder besser sogenannte „höhere“ Intelligenz spricht*.

Intelligenter Hai
Intelligente Haie? Weiße Haie (Carcharodon carcharias) sind zumindest in der Lage ihre Angriffe auf einen Köder durchaus zu variieren. © by E. Ritter/SharkProject

Nun muss man aber fragen: Ist denn eine gewisse Flexibilität (wie oben beschrieben) bei Raubtieren ganz allgemein nicht üblich? Ja, natürlich. Es muss üblich sein, denn auch ein Löwe muss in gewisser Weise flexibel reagieren können – nicht jede Verfolgungsjagd gestaltet sich schließlich gleich.

Die nächste Frage, die man sich also stellen sollte ist: Verfügen die Tiere über höhere Intelligenz, lernen sie (modifizieren sie also sozusagen in gewisser Weise ihr angeborenes bzw. instinktives Verhalten) oder wählen die Tiere nur aus angeborenen Mustern, das passende aus?

Die Antwort auf diese Frage gestaltet sich deutlich schwieriger. Während man höhere Intelligenz wohl außen vor lassen kann, ist vergleichsweise schwer zu entscheiden, ob die Tiere lernen oder variierendes angeborenes Verhalten zeigen. Man könnte meinen, eine solch große Anzahl an Mustern, die nötig wäre um immer entsprechend reagieren zu können, wäre unmöglich, aber damit sollte man vorsichtig sein.

Experimente mit vielen verschiedenen Haien, könnten darüber Aufschluss geben, da angeborenes Verhalten schließlich weitestgehend alle Individuen zeigen sollten. Gibt es also von Individuum zu Individuum Unterschiede, so haben wir es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit angeborenen Mustern zu tun.

Und genau dies konnte nun offenbar bewiesen werden: Haie sind durchaus in der Lage aus Erfahrung zu lernen!

Hai Intelligenz = Kommunikation?

Es laufen auch noch immer Untersuchungen zu der Kommunikation der Haie. Dabei konzentriert man sich momentan auf die Interaktion mit Menschen, doch auch die innerartliche Kommunikation ist noch längst nicht verstanden. Nur weiteres Forschen wird hier Aufschluss geben.

Sollte jedoch eine solche Kommunikation vorhanden sein, wären wir beim nächsten Indiz für Intelligenz. Immerhin ist Kommunikation ein recht komplexes Thema, je nachdem in welcher Form es sich gestaltet…

Fazit

Ein kleines Fazit lässt sich also ziehen:

Haie sind weit entfernt von dummen Fressmaschinen! Es gibt einige Indizien dafür, dass Haie intelligent sein könnten. Sie agieren stets vorsichtig und umsichtig. Sie sind zudem in der Lage flexibel auf unterschiedliche Situationen zu reagieren, wobei sie aus Erfahrungen lernen können und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Ja, sogar Farben und einfache geometrische Formen, können sie unterscheiden.

Wichtig zu verstehen ist, dass Instinktverhalten ungleich dumm ist. Es kommt bei allen Tieren vor und – zumindest teilweise – auch bei uns Menschen!

*Höhere Intelligenz ist die Form von Intelligenz, die nur uns Menschen zugeschrieben wird. Es ist die Intelligenz, die Vorstellungskraft benötigt. So sind nur wir Menschen dazu in der Lage Dinge zu beobachten, zu hinterfragen, zu verstehen und unser eigenes Vorgehen zu planen und Konsequenzen im Voraus abzuschätzen, ohne das wir auch tatsächlich Handeln müssten.