Die Lorenzinischen Ampullen wurden erstmals 1678 von dem italienischen Arzt Stefano Lorenzini in seinem Buch Osservazioni intorno alle torpedini fatte da Stefano Lorenzini Fiorentino (Beobachtungen an Torpedorochen von Stefano Lorenzini von Florenz) beschrieben, wobei diese Organe ihren Namen erst viel später, nämlich 1868, von dem deutschen Anatomen F. Boll zu Ehren des Italieners erhielten.
Lorenzinische Ampullen: Aufbau und Funktion
Bei den Lorenzinischen Ampullen handelt es sich um kleine Vesikel, die dicht unter der Haut liegen und durch einen mit einer gelatinösen Substanz gefüllten Kanal mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Diese Substanz wurde von Lorenzini als Körpersaft bezeichnet. Diese Organe, die vor allem Elektrorezeptoren sind, liegen bei den Haien an Kopf und Schnauze und sind als kleine Poren sichtbar (s. Abbildung oben). Die Lorenzinischen Ampullen erlauben es dem Hai elektrische Felder wahrzunehmen. Die Stimuli werden dabei zum Gesichtsnerv des Gehirns weitergeleitet. Die Felder messen nur 0,01 bis 0,05 Mikrovolt (!) pro Zentimeter – so würde eine für uns vollkommen leere Batterie für den Hai noch eine kraftvolle Energiequelle darstellen!
Die Lorenzinischen Ampullen helfen dem Hai beim Aufspüren und Identifizieren seiner Beutetiere.
Jedes Tier – und mit ihnen auch der Mensch – sendet ein elektrisches Potential aus. Die Lorenzinsichen Ampullen registrieren jede Feldstörung, die durch ein Lebewesen verursacht wurde. Selbst ein im Sand vergrabenes Tier, kann der Hai mit Hilfe dieses einzigartigen Sinnesorganes ausfindig machen, denn kein Tier ist fähig die elektrische Spannung, die von den Muskeln ausgeht, zu verbergen! Sogar wenn man regungslos dasteht, sendet man elektrische Signale aus, z. B. durch das Schlagen des Herzens.
Sekundäre Aufgabe der Lorenzinischen Ampullen, könnte die Orientierung sein. So wie die Lebewesen, besitzen auch die großen Meeresströmungen der Erde deutliche elektrische Magnetfelder. Haie sind sozusagen nicht nur ein lebender Metalldetektor, sondern verfügen zudem noch über einen geomagnetischen Kompaß. Dieses Organ erklärt somit wohl auch das Verhalten von verschiedenen Haiarten, wie etwa den Walhaien (Rhincodon typus) oder den Hammerhaien (Sphyrna spp.), die sich jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort zur Paarung versammeln.
Mittlerweile wurden die Lorenzinischen Ampullen nicht nur als Organ zur Feststellung von elektrischen Feldern und Geo-Magnet-Kompaß erkannt, sondern es wurde von einem gewissen Brandon Brown herausgefunden, dass die Lorenzinischen Ampullen auch als eine Art „Thermo-Fühler“ dienen.
Bei Temperaturänderungen baue sich in den Ampullen eine elektrische Spannung auf, so Brown. Möglicherweise hilft das Feststellen von Temperaturunterschieden den Haien lohnende Jagdgründe aufzuspüren. „Diese Eigenschaft des Gels zeigt, dass die Temperatur auch ohne Ionenkanäle in elektrische Information übersetzt werden kann“, so Brown weiter. Browns Untersuchungen zufolge, sollte ein Hai in der Lage sein Temperaturunterschiede von einem tausendstel Grad Celsius (!) wahrzunehmen.
Ob und inwieweit der Hai von einem solchen Sinnesorgan sozusagen abhängig sein sollte, ist allerdings die Frage. Denn auf so kurze Distanz, auf die ein solches Organ wirken könnte, hätte der Hai andere und bessere Sinne, wie z. B. die Augen oder das Seitenlinienorgan. Aufklärungsbedarf ist hier also durchaus noch gegeben.