Vom 07.05.2003
Im zweiten Interview mit Haiwelt, spricht Silvio Heidler vor allem über die Aquarien-Haltung von Haien.
Silvio Heidler über die Aquarien-Haltung von Haien
Haiwelt:
Silvio, wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, Tipps zur Haltung von Haien in Aquarien zu veröffentlichen?
Silvio Heidler:
Ich hatte im Jahr 2001 den Verfassern der Website Korallenriff.de meine Hilfe zu Fragen der Haihaltung angeboten. Es hatte sich gezeigt, das es doch eine ganze Reihe von Anfragen zu diesem Gebiet gab.
Viele wollten einfach nur einen Hai – was in Deutschland ganz legal ist – und wussten nichts weiter über Technik, Kosten und mögliche Haiarten.
Ich habe meine Hilfe dahingehend angeboten, um möglichst viel für die Tiere herauszuholen.
Bis zu dem Zeitpunkt meiner Veröffentlichungen hat jeder auf gut Glück Haie gehalten.
Selbst der Zoofachhandel kann in den allermeisten Fällen keine fachkundige Antwort zum Thema Haie in Aquarien geben. So ist es häufig vorgekommen, das Haie getötet wurden oder es wurde versucht die Tiere an Großaquarien abzugeben.
Da ich mit allen Häusern in Deutschland gute Kontakte habe, kenne ich diese Problematik aus deren Sicht. Mit den von mir beschriebenen technischen Anforderungen und der Kostendarstellung habe ich vielen Haien nachweislich das Leben gerettet.
Es gab gerade in den ersten Wochen nahezu täglich mehrere Anfragen und Kontakte zu potentiellen Haihaltern, die nach Kenntnis der Komplexität des Vorhabens ihren Traum vom eigenen Hai aufgegeben haben.
Weiterhin gab es viele Aquarianer, die dankbar die Fakten umgesetzt haben.
Haiwelt:
Ich habe mir Deine Seite [mittlerweile offline] mal genauer angeschaut und muss sagen, dass ich teils entsetzt bin!
Da schlägst Du (nur als Beispiel) für Haie, die bis zu 1 Meter groß werden eine Beckengröße von 3 Metern Länge und 1 Meter Tiefe vor?!
Entschuldige, wenn ich es so direkt sage, aber das kann doch wohl nur ein Witz sein…
Silvio Heidler:
Es gibt bis zum heutigen Tag in Deutschland und auch weltweit keine Richtlinien oder Grundmaße für Haiaquarien!
Bei Großaquarien gibt es europaweit mehrere Bemühungen (2 Symposien zur Haihaltung bei denen ich Teilnehmer und Referent war). Aber auch hier konnten bisher keinerlei Eckdaten gefunden werden.
Die von mir angegebenen Beckengrößen sind erprobte und in öffentlichen Schauaquarien bewährte Mindestgrößen. Dies ist auch so vermerkt.
Die Beckengrößen erscheinen einigen zu klein, glaube mir eine weitaus größere Gruppe empfindet diese als viel zu hoch gegriffen.
Und ich muss sagen, diese Leute haben nicht mal Unrecht. Ich selbst habe Haie in winzigen Becken gesehen, die gesund waren und sogar Nachwuchs produziert haben.
Alleine dieser Fakt würde von allen Fachleuten weltweit als Beweis für eine artgerechte Haltung angesehen werden.
Da ich aber hier auch anderer Meinung bin habe ich die Beckenmindestmaße entsprechend erhöht. Selbst in internationaler Fachliteratur sind Beckengrößen angegeben, die teilweise 3 mal kleiner sind als die von mir beschriebenen. Die Autoren sind ausnahmslos anerkannte Spezialisten.
Nur ein Bespiel: Für Bambushaie wird international ein Mindestmaß von 110 Galonen – ca. 420 Liter – angegeben…
Schon daran sieht man, dass ich den Tieren nichts Böses will.
Haiwelt:
Aber Du weisst doch selber, wie schlecht es um die Haie steht! Wieso gibst Du dann überhaupt Tipps für Privatleute! Wieso kannst Du nicht einfach auf die Situation der Haie hinweisen und baust so eine Argumentation gegen die Haltung von Haien, zumindest im privaten Wohnzimmer, auf?
Haie in Großaquarien – auch ein vieldiskutiertes Thema – sind noch insoweit gerechtfertigt, als dass sie für einige Menschen die einzige Möglichkeit darstellen jemals einen lebenden Hai zu sehen.
Und wenn auch nur einer von hundert Besuchern des Aquariums dann entdeckt, dass Haie schützenswert sind, so ist das eine verschenkte Leben des Hais vielleicht der Grund, weshalb tausend andere in freier Wildbahn überleben.
Aber private Haltung geht doch einfach zu weit oder nicht?
Silvio Heidler:
Hier lebe ich soweit in der Realität, dass ich ganz einfach sage, das wäre am Ziel vorbei.
Der Markt ist da!
Und damit logischer Weise auch das Angebot.
Wie schon beschrieben, habe ich meiner Meinung nach – auch aus den Rückmeldungen – mehr Haien geholfen, als einfach zu sagen gar nicht.
Es ist nun mal so, auch wenn es manchen nicht gefällt, es ist erlaubt, die Leute wollen es und bekommen es.
Jetzt sollte man versuchen das wenigstens in geordnete Bahnen zu lenken.
Einen höheren Anspruch erhebe ich für meine Arbeit gar nicht, da ich nicht der rigorose Verbieter sein will, das steht mir gar nicht zu, bei der aktuellen Rechtslage.
Wenn denn schon Haie zu Hause, dann wenigstens unter bestimmten Grundparametern.
Und die von mir geforderten Mindestgrößen stellen im Minimum den Gegenwert eines Mittelklassewagens dar.
Schon das zeigt, dass 99% abgeschreckt werden.
Haiwelt:
Per E-Mail hattest Du mir einmal von einem Hai erzählt, der mehr oder weniger bewegungsunfähig in seinem Becken lag.
Damit hast Du doch selbst ein Beispiel gegeben dafür, dass Deine Auffassung, eine Beckengröße sei in Ordnung, solange der Hai überlebt und fortpflanzungsfähig sei (was bei besagtem Hai der Fall war), stark hinkt.
Denn, das es dem Hai gut ging (damit meine ich nicht die rein körperliche Gesundheit!), kannst Du mir nicht erzählen!
Silvio Heidler:
Das hast Du falsch verstanden.
Ich wollte nur die Machtlosigkeit der deutschen Behörden demonstrieren.
Genau dieselbe Geschichte habe ich übrigens auch in Eurem Forum gelesen [Anmerkung von Haiwelt: Gemeint ist das Forum von SharkProject; mittlerweile offline].
Der Amtstierarzt, so gut er es auch meint, kann nichts tun.
Und das ist eine mächtige Institution auf dem Gebiet. Wenn der schon nichts erreicht, was soll ich dann bewirken, wohl am ehesten durch Überzeugung und mit Grundanforderungen, die durch kaum jemanden bezahlt werden können.
Das mit dem Nachwuchs habe ich mit angeführt, weil die internationale Expertenmeinung so ist. Das stammt nicht von mir.
Zieht man aber Bilanz und bewertet die Rechtslage, die Möglichkeiten der Amtstierärzte und den Istzustand, so kann ich Dir Recht geben. Das ist kein guter Zustand.
Ich habe versucht auf meine Art hier meinen Beitrag zu leisten.
Andere Leute wählen andere Methoden.
Jeder denkt, das es der richtige Weg ist.
Deshalb leben wir in einer freien Welt.
Ich werde nicht die Haihaltung verbieten. Ich kann nur an die Halter appellieren und mich für bessere Haltungsbedingungen einsetzen und im Notfall weitervermitteln.
Das ist nämlich auch ein wichtiger Punkt.
Bei dem strikten dagegen und keine Abstriche machen, sterben diese Tiere garantiert.
Mit guten Kontakten zu allen Haihaltern kann man in bestimmten Fällen Tiere retten.
Haiwelt:
Hm… ich merke schon, dass wir beide hier deutlich verschiedener Auffassung sind und andere Wege eingeschlagen haben.
Abschließend noch etwas Aktuelles: Du wurdest mit einem neuen Projekt beauftragt, richtig?
Silvio Heidler:
Man hat mich als Berater für ein europäisches Großprojekt hinzugezogen.
Von den anfänglich geplanten 800.000 Litern für ein Haibecken sind wir nach Analyse aller Fakten und vieler langer Gespräche zu der Endgröße von 2.250.000 Litern gelangt.
Wer mich bei dieser Größe für ein Haibecken noch einen Tierquäler nennt, dem kann ich auch nicht weiterhelfen.
Fakt ist, durch meine Veröffentlichung konnten viele Haie gerettet werden. Ein weiterer großer Teil lebt in annehmbaren Verhältnissen. Es gibt auch Leute, die sich nicht an meine Vorgaben halten, das ist zwar ärgerlich aber deren gutes Recht.
Meine Veröffentlichungen sind meine Erfahrungen und meine Gedanken.
Natürlich kann man anderer Meinung sein oder Kritik üben.
Ich bitte aber um sachliche Kommentare.
Man sollte sich erst mal umhorchen und die rechtlichen Grundlagen hinterfragen. Wenn es diese nicht gibt, kann jeder praktisch machen was er will und dann ist es schön wenn es wenigsten gewisse Grundinformationen gibt, die den Tieren helfen.
Haiwelt:
Dann bedanke ich mich ganz herzlich bei Dir, dass man mit Dir auch kontrovers diskutieren kann ohne flapsige Kommentare oder gleich Abfuhren zu bekommen – das ist nicht selbstverständlich! Vielen Dank für das Interview!